Teilnehmerbericht vom 19. März 2022 – Life with Treff
Wie fängt man einen Bericht über ein Treffen in einer Selbsthilfegruppe an, indem keiner von uns wünscht, Teil davon sein zu müssen. Es wird gesagt, dass die Geschwister die vergessenen Trauernden beim Tod von einem Kind sind. An die Eltern wird gedacht, jedoch nicht an die Geschwister. Aus diesem Grund bin ich umso dankbarer, dass es diese Gruppe gibt. Bei welcher jeder versteht und nachfühlen kann, was man durchmacht oder was man erlebt hat.
Mein Bruder Denis ist an plötzlichen Kindestod mit 15 Monaten gestorben. Nachher hat sich alles schlagartig in meiner Familie geändert. Mein Vater, meine Mutter und ich haben uns unser Familienleben anders vorgestellt und versucht wieder Fuss zu fassen im Leben. Ich habe lange versucht den Tod von meinem Bruder zu verdrängen und auch nicht viel darüber gesprochen. Aber ich habe gemerkt, dass es mich immer wieder einholt und darum habe ich mich vor zwei Jahren das erste Mal in diese Selbsthilfegruppe begeben. Ich habe mich gefragt, ob es gleich abläuft wie im Fernsehen, wenn man eine Selbsthilfegruppe sieht. Auch war es mir ein wenig peinlich zu sagen, dass ich an einem Treffen einer Selbsthilfegruppe teilnehme. Jedoch war die Reaktion meiner Freunde anders als ich gedacht habe. Sie fanden dies eine gute Idee. Auch fand ich nach dem ersten Treffen, dass dies die richtige Entscheidung war. Denn endlich trifft man auf Personen, die nachfühlen können, wie es ist, ein Geschwister zu verlieren sowie die damit verbundenen Gefühle von Trauer, Wut, Scham und Schuld, welche in einem schlummern. Auch dass man immer wieder Situationen im Leben trifft, wo man überlegen muss, möchte ich allen vom Tod meines Bruders/Schwester erzählen oder schweige ich einmal mehr, wenn beispielsweise jemand am gleichen Tag wie das verstorbene Geschwister Geburtstag hat.
Bei diesem Treffen haben wir uns zuerst vorgestellt und in einer zweiten Runde dann unser verstorbenes Geschwister. Normalerweise haben wir uns nach der Vorstellungsrunde nach dem Grund des Todes des Geschwisters in Gruppen aufgeteilt. Bei diesem Treffen haben wir uns für die Aufteilung nachdem, wie alt wir waren, als unser Geschwister gestorben ist, aufgeteilt. Auffallend an diesem Treffen für mich war, dass viele Teilnehmende ein Trauma mit sich tragen, was mir auch zeigt, dass man zu wenig auf die Geschwister achtet, wenn ein Kind stirbt. Hier finde ich, sollte es bessere Hilfe für betroffene Familien geben.
In den kleinen Gesprächsrunden haben wir uns dann über Themen ausgetauscht, wie beispielsweise Was antwortet man auf die Frage, wie viele Geschwister man hat. Und wem sagt man, dass der Bruder/Schwester verstorben ist. Ausserdem wie geht man mit der unangenehmen Stille um, wenn dann das Gegenüber nicht weiss, was er antworten soll. Obwohl unsere Schicksale unterschiedlich sind, weisen sie auch Parallelen auf. Nach den Treffen gehe ich gestärkt raus, mit dem Wissen, dass ich nicht allein bin mit dieser Erfahrung und mit neuen Bekanntschaften netter Menschen.
Da wir nicht herumkommen, den Tod unseres Geschwisters anzunehmen und zu integrieren in unsere Lebensbiografie, freue ich mich auf das nächste Treffen, bei welchem wir sicher alle wieder einen Schritt nach vorne bei der Verarbeitung des Todes unseres Bruders/Schwester machen werden.