26 Dez

Mit Tränen leben

In der Adventszeit sind Nicole & ich eingeladen am Tag der verstorbenen Kinder an einem Gedenkgottesdienst vom Verein Regenbogen in Schaffhausen zum Thema «Mit Tränen leben» teilzunehmen.
An diesem Tag  ist es kalt, es regnet wie aus Eimern und ein Sturm tobt.
Ich denke erst es wird eine normale Gedenkfeier und werde überrascht.
Am Anfang dürfen für die verstorbenen Kinder jeweils eine Kerze anzünden, die wir auf einen Tisch vor dem Altar stellen dürfen. Nach den Begrüssungsworten  gibt es vier Posten.
Die Posten sind in der Kirche verteilt. Wir nehmen jeweils die Kerze mit als Symobol, dass die Verstorbenen in dieser schweren Zeit bei uns sind.
Zu jedem Posten wird ein eigen verfasster Text vorgelesen. Auch Nicole aus unserem Leiterteam liest einen Text vor. Jeder Text berührt mich auf seine eigene Weise und bringt mich zum Nachdenken. Am Schluss stellt jede/r seine Kerze wieder auf den Tisch und sagt an wen wir denken. Es gibt einige Dankes- und Abschlussworte des Organisators. Am Anschluss können von Buffet feine selbst gebackene Dessert’s  und Getränke geholt werden.
Nicole und ich gehen ins Freie, da ich meiner Nikotinsucht frönen möchte. Als wir nach draussen gehen, ist es still. Kein Sturm, kein Regen. Irgendwie magisch. Als wollen alle verstorbenen Kinder / Geschwister  uns für einen Moment vor dem Regen und dem Sturm schützen. Bei diesem Gedanken bekomme ich eine Hühnerhaut und nehme dieses Geschenk dankend an. Während dieser ruhigen Phase denke ich: «Schön, dass ich lernen durfte mit Tränen zu leben.»

 

21 Okt

Life with Bericht vom 15. September 2018

Das neue zusammengesetzte Leitungsteam mit Fritz, Tina und Nicole empfing die Teilnehmenden an diesem sonnigen Tag in den Räumlichkeiten am schön gelegenen Kluspark. Wir nahmen im Kreis Platz und starteten mit gegenseitigen Vorstellungsrunde. Vor der weiteren Runde erzählte Nicole eine Geschichte von einer Oma und ihrem wertvoll gehegten Bleistift. Diese schilderte Metaphern zu unserem Leben und dass das Schreiben mit einem Bleistift Spuren hinterlässt, wie wir alle in unserem Leben sowie auch unsere verstorbenen Geschwister in unseren Herzen ihre Spuren hinterlassen haben.

Anschliessend starteten wir mit persönlichen Geschichten zu unseren Geschwistern. Bei dieser Gelegenheit zündeten wir ein Kerzlein an zum Gedenken an unsere viel zu früh verstorbenen Schwestern und Brüder. Nach dieser intensiven Runde waren wir froh, eine Pause einzulegen und uns mit etwas Süssem zu stärken.

Als nächstes teilten wir uns in zwei Gruppen auf und suchten uns ein sonniges Plätzchen im schönen Park. Wir hatten sehr interessante Gespräche, wo es darum ging, wie wir mit dem Verlust umgehen. Wir tauschten uns auch darüber aus, wie wir die Trauer erleben und welche auch manchmal komischen Dinge sie mit uns anstellen lässt. Jede Geschichte ist wieder anders, doch es unterstützt einem sehr, sich mit anderen Geschwistern auszutauschen, die ebenso ihre Schwester oder ihren Bruder vermissen.

Über den Verlust meines Bruders zu sprechen, fällt mir nicht immer leicht. Doch mir tut es sehr gut und ich fühle mich nach diesem Nachmittag erleichtert. So frage ich mich nun erneut, wie ich meinem Geschwister seinen Raum in meinem Leben schenken kann, wodurch ich gestärkt meinen weiteren Weg gehen kann.

05 Jun

Kritische Übergange

In der Schule beschäftigen wir uns im Moment mit den Thematiken Übergänge und kritische Übergänge. Der Tod eines geliebten Menschen ist zum Beispiel ein kritischer Übergang.
Interessanterweise hatten wir im Geschäft in der selben Zeit einen kritischen Übergang. Ein älterer Klient musste in die Klinik. Aufgrund der Schwere eines Angriffs wurde ihm fristlos gekündigt. Mit dieser Person habe ich sehr nah gearbeitet. Von einem auf den anderen Augenblick musste sie gehen.. Ich konnte ihr nicht verabschieden, da ich an diesem Tag nicht gearbeitet habe. Dieser Fall hat mich sehr mitgenommen. Lange Zeit konnte ich mir es nicht erklären, warum genau. Eines Morgen wusste ich weshalb. Mein Bruder hat sich das Leben genommen. Er ist einfach gegangen, ohne dass ich mich verabschieden konnte. Hier sehe ich die Verbindung. Diese Situation hat mir gezeigt, dass ich auch nach 8 Jahren immer noch Mühe habe, wenn jemand plötzlich aus meinem Leben verschwindet, wenn ich zuvor eine Beziehung aufgebaut habe. Nach Akzeptieren dieser Erkenntnis, konnte ich den älteren Klient endlich loslassen.

 

 

01 Apr

Life with Bericht vom 17. Februar 2018

Dies war mein zweites Treffen an dem ich teilnahm. Für mich ist dies ein Raum, welchen ich um den gemeinsamen Austausch sehr schätze. Ich freue mich auf den Treff und bin auch etwas nervös.

In einer Runde stellten wir uns und unser Geschwister vor und zündeten symbolisch eine Kerze an. Die Gemeinsamkeit über den Verlust einer Schwester oder eines Bruders stellt sehr schnell eine Verbundenheit her. Obwohl jeder eine eigene Geschichte hat sind Geschwister sehr prägend und haben uns alle einen wichtigen Teil unseres Lebens begleitet. In diesem Raum finden Emotionen, Fragen und Erfahrungen Platz. Wir teilten danach die Gruppe und konnten uns individueller den Themen zuwenden. Die verschiedenen Probleme, Erfahrungen durch den Verlust wurden zusammen ausgetauscht. Die Welt von jedem schien für mich einen Moment durch den Tod still zustehen und hat sich bei jedem verändert.

Für mich ist dies ein Ort, an dem ich als Schwester meinen Verlust mit anderen teilen kann, welche wissen von was das ich rede. Das Verständnis zeigt mir das ich nicht alleine bin. Ich gehe mit einem befreienden Gefühl nach Hause. Herzlichen Dank!

30 Okt

Geburtstagsfeier – Öfters mal was Neues!

Es ist Mitte Oktober. Der Geburtstag meines verstorbenen Bruders kommt in grossen Schritten näher. Wie ich schon mal geschrieben habe, haben meine Mutter und ich diesen speziellen Tag letztes Jahr im kleinen Kreis gefeiert. Dieses Mal schlug mein Vater vor, dass die ganze Familien zusammen den Geburi feiern könnten. Wow, damit habe ich nicht gerechnet. Meine Eltern haben sich vor ein paar Jahren getrennt. Seit diesem Zeitpunkt haben meine Schwester und ich jeweils den Geburi mit beiden Elternteilen separat gefeiert. Meine Mutter ist erstaunlicherweise auch mit der gemeinsamen Feier einverstanden, was meine Schwester und mich sehr freut. Oberhalb von Dornbirn gibt es ein schönes Restaurant mit einer super schönen Aussicht über das Rheintal. Der ideale Ort um zu feiern.

An seinem Geburi treffen wir uns also im besagten Restaurant. Es ist ein prächtiger Herbsttag mit Temperaturen über 20°C.  Wir geniessen ein feines Mittagessen und machen einen kleinen Spaziergang . Es ist wirklich ein friedvoller Nachmittag. Zum Abschluss gehen wir in Dornbirn noch in die Kirche und zünden in einer grossen Kirche je eine Kerze für meinen Bruder an. Ein paar Tränen werden vergossen. Trotzdem finde ich es schön, dass die ganze Familie zusammen ist. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass mein Bruder an diesem speziellen Tag auch mit dabei ist. Happy Birthday kleiner Bruder!

29 Okt

Life with Treff – Bericht vom 02.09.2017

Gespannt stehe ich am Bahnhof und begebe mich auf die Anreise nach Zürich. Wen ich heute wohl alles treffen werde? Ich erinnere mich an meinen ersten Lifewith-Treff zurück, bei welchem ich deutlich nervöser war, zumal auch die direkte Tramlinie damals ausfiel und ich nicht wusste, was mich erwarten und wie es für mich wird. Seither ist bereits ein Jahr vergangen – wie die Zeit verfliegt!

Als ich an der Tramhaltestelle in Zürich ein bekanntes Gesicht entdecke, spüre ich, wie sehr mich dieses Wiedersehen freut und es sich so richtig anfühlt, hier zu sein! Gemeinsam reisen wir zum Klusplatz, tauschen uns aus und so schnell wie noch nie stehen wir an der Endstation. Vor dem Eingang begrüssen wir Fritz und die weiteren bereits anwesenden Teilnehmerinnen, bekannte und unbekannte Gesichter. Gemeinsam gehen wir hoch, wo wir auf weitere neue Gruppenmitglieder treffen. Schön, dass sich auch heute wieder rund ein Duzend Personen Zeit genommen haben, um sich hier zu treffen, auszutauschen und bewusst an sein fehlendes Geschwister zu denken.

Der Treff

Fritz hat den Raum mit Kerzen, Getränken, Snacks, Taschentüchern gemütlich eingerichtet und ein schönes Blumenarrangement schmückt den Tisch passend.
Nach einer Begrüssung und dem organisatorischen Austausch stellen wir uns selbst und unser verstorbenes Geschwister uns gegenseitig vor. Dazu dürfen wir für das Geschwister eine Kerze anzünden. Als ich an der Reihe bin, merke ich, wie es mich erneut sehr berührt, vom Geschwister zu erzählen und dank dem Kerzenlicht spüre ich, dass ich nicht alleingelassen und von den Anwesenden wortlos verstanden werde.
Die unterschiedlichen persönlichen Schicksalsschläge gehen mir jedes Mal nahe und berühren mich. Eine Kerze nach der anderen wird entfacht, bis am Schluss vierzehn Kerzen vor sich hinflackern, für jedes zu früh von uns gegangene Geschwister eine. Wir gönnen uns einen Moment der Stille, um an unsere Geschwister zu denken und den Kerzenschein bewusst wahrzunehmen und die spezielle Stimmung auf uns wirken zu lassen.
Anschliessend teilen wir uns in zwei Gruppen auf und richten uns in den beiden Gruppenräumen gemütlich in den Korbstühlen ein. Ein Zufall, dass für alle Anwesenden genau ein Korbstuhl bereitsteht und es genau aufgeht?
Die Gespräche und der Austausch in der Gruppe tun mir gut und viel zu schnell vergeht der gemeinsame Nachmittag.

Ich finde jedes Mal erneut wieder schön zu spüren, wie verstanden, akzeptiert und getragen ich mich hier fühle, obwohl wir uns erst gerade begegnet sind, aus total unterschiedlichen Ecken der Schweiz und Lebenswelten stammen, viele verschiedene Interessen pflegen und uns auch sonst kaum kennen. Hier kann ich so sein, wie ich bin und mich gerade fühle – und ich werde verstanden. Die traurige gemeinsame Basis verbindet und ich kann mich oft wortlos in die Empfindungen der anderen einfühlen, weiss, was sie damit beschreiben und was in ihnen vorgeht, da wir dies alle auch irgendwie kennen und erlebt haben.

Nachdem wir die beiden Zimmer aufgeräumt und gelüftet haben, verabschieden wir uns voneinander und gehen gemeinsam zur Tramstation. Spontan entscheiden sich einige gemeinsam noch etwas trinken bzw. essen zu gehen. Dies finde ich eine gute Idee, um sich auch sonst noch kennen zu lernen und schliesse mich gerne an. Ich stelle fest, dass es heute nicht wie die beiden letzten Male regnete. Doch kaum haben wir unser Essen eingekauft, um es gemütlich am See einnehmen zu können, schüttet es plötzlich und unerwartet wortwörtlich wie aus Eimern. Ich traue meinen Augen nicht, da nahm mich wohl jemand beim Wort. Wir finden zum Glück dennoch ein trockenes Plätzchen, geniessen unser Essen, tauschen uns aus und begeben uns anschliessend auf die Heimreise zurück in unseren Alltag.

Ich danke Fritz für die Organisation und die damit verbundenen Besorgungen, danke allen, die sich für den heutigen Tag Zeit nahmen.

Ich selbst finde diesen Austauschtag immer wieder eine Bereicherung und danke euch allen für die offenen, herzlichen Gespräche und Begegnungen, die mich immer wieder von neuem berühren.
Danke euch und eine gute Zeit. bis zum nächsten Treffen!

Verfasserin: eine Treff-Teilnehmerin

12 Aug

Auf dem See

Vor ein paar Wochen fragt mich mein Vater, ob ich spontan Lust hätte mit auf das Boot meiner Tante zu kommen. Es ist ein heisser Sommertag und ich habe wirklich Lust auf eine Abkühlung. Also sage ich zu. Auf dem Weg nach Amriswil, wo mich mein Vater abholt, denke ich nach, wann ich das letzte Mal mit diesem Boot auslief. Ich musste erst ein wenig überlegen. Es war etwa vor zwei Jahren. Wenn ich mir es genau überlegte, war ich sehr sehr wenig auf dem Boot anzutreffen seit sich mein Bruder sein Leben genommen hat. Immer drehten sich meine Gedanken um ihn, sobald ich das Boot betreten hatte. Die Zeit auf dem Boot war immer etwas Besonderes – so unbeschwert und leicht. Doch seit seinem Tod war die Zeit auf dem Boot von Trauer und Schwere geprägt.

Dieses Mal versuche ich unbelastet an die ganze Sache zu gehen. Das fällt mir zunächst schwer. Ich versuche meine Trauer zu akzeptieren. Wir fahren raus und halten irgendwann mal an. Wir stellen etwa Musik ein, essen Güäzli und trinken etwas – genau wie früher. Dann geht’s ins Wasser um abzukühlen. Als ich am Schwimmen bin und das wunderschöne Panorama von Romanshorn und dem Alpstein vor meinem Auge habe, fühle ich mich plötzlich leicht. Alles – auch die Trauer – scheint auf einen Schlag weit weg zu sein. Ich geniesse nur den Augenblick. Es ist einfach nur wow.

Nachdem das Schiff wieder in den Hafen eingelaufen ist, lassen wir den Abend bei einem feinen Essen ausklingen. Auf dem Heimweg steht für mich fest, ich werde bald wieder kommen. :)

06 Jul

Openair SG

Die Openair Saision hat endlich wieder begonnen. Wie jedes Jahr helfe ich am OASG (Openair St. Gallen) mit. Ich habe mich im Vorfeld gefragt, warum ich nach 13 Jahren überhaupt noch gehe. Ich meine meistens regnet es und damit gleicht das Gelände eher einem Schlammfeld als einer Wiese. In der Nacht wird’s jeweils recht frisch, vorallem, wenn es regnet. In den Nächten schlafe ich jeweils sehr wenig und habe je nach Alkoholkonsum am nächsten Tag Kopfschmerzen. Günstig ist das Ganze auch nicht wirklich. Also weshalb tue ich mir überhaupt noch an? Hat mein verstorbener Bruder etwas damit zu tun? Ist es eine Tradition, die durch den Tod nicht loslassen möchte? Er kam vor etwa 10 Jahren das erste Mal an OASG und ich gab  ihm meine Erfahrungen weiter. Wir haben uns zwar selten im Gelände selbst gesehen, aber wenn wir uns sahen, war es einfach gut. Ich fand es schön, dass wir diese Leidenschaft teilten. Diese Frage warum ich noch gehe, möchte mir dieses Jahr am OASG mal für mich beantworten.

Also los geht’s! Bei der Ankunft übermannt mich ein angenehmes Gefühl. Ich höre von Weitem die Musik und eine gemütliche Atmosphäre zieht mich in ihren Bann. Es fühlt sich wie Ferien an. Jeder ist chillig unterwegs und ich komme mit Wildfremden ins Gespräch. Ich habe auch das Gefühl, dass die Menschen offener und interessierter sind  – auf jeden Fall, die den Stand besucht haben, an dem ich mitgearbeitet habe. Ich treffe wieder Freundinnen und Freunde, die ich das ganze Jahr nicht so oft treffe. Auch Leute ich über die Jahre kennengelernt habe und nur jeweils wieder am Openair treffe gehören für mich zu meiner Openair Familie. Auch dieses Jahr ist Musikprogramm voll im grünen Bereich. Ich lasse ich mich gerne auch von neuen Bands überraschen.

Nach drei Tagen steht mich für fest, ich werde wieder kommen. Wie ihr sicher bemerkt habt, hatte mein verstorbener Bruder keinen Einfluss auf diese Entscheidung.  Und das ist gut so!

03 Jul

Kraft und Ruheort Bodensee

Endlich Ferien. Leider ist meine wohnliche Situation immer noch unverändert. D.h. ich wohne immer noch mit meinem Ex zusammen. In der ersten Woche bin ich mit meinem besten Kollegen, der in dieser Woche auch Ferien hat unterwegs. Es ist eine abwechslungsreiche und lustige Woche.

Doch was mache ich in der zweiten Woche? Ich brauche ein wenig Abstand, jedoch habe ich in dieser Woche zwei Termine, die ich nicht verschieben kann. Deshalb muss es in der Nähe sein. Also ab auf Airbnb. Mal schauen, was da so gibt. Und siehe da beim ersten Treffer werde ich fündig. Es ist das Angebot für eine Jurte (grosses Zelt) in der Nähe von Romanshorn. Es ist günstig und gut mit den öffentlichen Verkehrsmittel erreichbar. Ausserdem ist es in einer abgelegenen Bucht. Der ideale Ort um abzuschalten und zum Kraft zu tanken. Also gebucht.

Als ich ankomme werde ich sehr nett empfangen. Nachdem ich mich ein wenig eingerichtet habe, treffe ich mit einem Kollegen zum Essen. Es wird ein schöner und gemütlicher Abend.
Dann kann ich endlich herunterfahren und nur noch geniessen. Ab und zu nach Romanshorn fahren und um etwas zu essen und sonst geniesse ich den See. Hier fühle ich  mich entspannt und  Am Abend mache ich jeweils Feuer im Cheminée und geniesse es in der Natur zu sein. Am letzten Morgen bin ich schon sehr früh wach, weil ich die Vögel höre. Ich gehe nach draussen und beobachte den Sonnenaufgang. Es ist einer der schönsten den ich in letzter Zeit gesehen haben. Ich wünsche mir, dass mein verstorbener Bruder diesen jetzt auch sehen könnte. Plötzlich spüre ich etwas in der rechten Schulter. Ich weiss, dass er den Sonnenaufgang mit mir zusammen ansieht.

30 Mrz

Aufbahrungsschock

Es ist Dienstag Nachmittag. Wie so oft haben wir Teamsitzung im Geschäft. Im Moment sind wir an der Klärung rund um das Thema Sterben und Tod. Als die Frage kommt, ob ein Bewohner hier im Haus aufbahrt werden kann, stockt mir plötzlich der Atem. Instinktiv sage ich: «Nein». Ich frage mich, warum ich wohl jetzt nein gesagt habe. Ich muss auch aufpassen, dass meine Gefühle mich nicht überwältigt. Ich bin ein wenig verwirrt, weil ich den Grund noch nicht kenne. Plötzlich kommt mir folgende Situation in den Sinn:

Ein paar Tage nach dem Tode meines Bruders, wollte eine Kollegin den Leichnam nochmals sehen. Da ich den Schlüssel verwaltete, fuhren wir gemeinsam zum Aufbahrungsraum der Kirche. Der Raum ist in 3 Kammern unterteilt. Mir wurde gesagt, dass er sich in der linken Kammer befindet. Zu diesem Zeitpunkt wollte ich den Leichnam meines Bruders nicht sehen. Ich schloss also die Türe auf und schock….. Mein Bruder lang in der Mitte und ich sah ihm direkt ins Gesicht. Ich ging wieder raus und setzte mich auf die Bank. Meine Kollegin fragte mich ironischerweise, ob ich einen Geist gesehen habe, denn ich sei ja ganz bleich. Ich sagte ihr, dass ich meine Bruder gesehen hätte und dass er in der mittleren Kammer liegen würde. Sie fragte, ob sie was tun könne. Ich sagte nein, sie solle doch meinem Bruder die letzte Ehre erweisen. Sie kam nach einer halben Stunde wieder raus. Ich sass immer noch dort im völligen Schockzustand einfach nur da. Nach einer Stunde entscheid ich mich in die Kammer zu gehen. Ich lag so friedlich da, etwas aufgedunsen, aber völlig ok. Ich teilte meinem Bruder noch mit, was ich mitteilen wollte und stellte auch die Fragen, die mich jener Zeit beschäftigen. Dann ging ich wieder raus.

Bei dieser Teamsitzung habe ich gemerkt, dass ich diesen Schock noch nicht überwunden ist. Ich nehme diesen Schock mit um ihn mit meiner Psychologin zu besprechen. Mit einer speziellen Technik konnte sie mir helfen, diesen Schock zu lösen. Jetzt habe ich kein Problem mehr mit der Aufbahrung. :)